An einem milden Sommerabend im September war ich bei einem Grillfest zu Gast. Im Laufe des Abends hat dann der Gastgeber, in seiner gewohnten „coolen“ Art, folgende interessante Bemerkung gemacht: „Ich habe vor nichts Angst“. Diese Aussage hat mich sehr beeindruckt. Ein „Ich“ das keine Angst hat, gibt es das wirklich? Da sollte man sich doch das was wir „Ich“ nennen, mal etwas genauer betrachten.
Normalerweise stellen wir uns vor, dass unser „Ich“ etwas vorgefertigtes, bereits vorhandenes ist, das sich dann nur noch zu entfalten hat. Doch bei genauerer Betrachtung stellen wir fest, dass zum Zeitpunkt der Geburt unser „Ich“ noch gar nicht vorhanden war. Zu allererst haben wir lernen müssen zu Sprechen und zu denken, was nahezu identisch ist, und erst dann begannen wir ganz langsam „Ich“ zu sagen. Unser „Ich“ ist also nichts vorgefertigtes, sondern etwas das sich unbeständig und damit ständig neu denkend als Prozess ereignet. Ganz allgemein gesagt ist unser „Ich“ zunächst ein dynamisches, durch verschiedene Ursachen bedingtes Festhalten. Mit anderen Worten: Es werden Erinnerungen, Bilder, Handlungen in ein Archiv hochgeladen, in einem Programm gespeichert und anschließend gesichert. Das Programm wiederum ist mit dem Bewusstsein verknüpft um eine ganz bestimmte Aufgabe zu erfüllen: Angenehme Gefühle sollen im Bewusstsein angenommen werden, während unangenehme Gefühle verdrängt, überspielt werden oder direkt im Papierkorb landen. So bilden diese beiden Gefühlspole (angenehm und unangenehm) den eigentlichen Rahmen in dem sich unser „Ich“ ereignet. Damit wird deutlich: Unsere Gedanken entstehen nicht durch unser „Ich“, sondern unsere Gedanken sind unser „Ich“. Das ist zwar nur ein kleiner Unterschied, subtil, aber entscheidend. Wir haben so ein Bild von uns selbst erschaffen, das sich durch unsere Gedanken immer wieder verändert - ein Selbstbildnis. Man könnte auch sagen wir sind eingebildet, was nicht negativ gemeint ist. Mit diesem Selbstbildnis jedoch hat sich unser „Ich“ auch Eingrenzungen geschaffen und dadurch entsteht eine Gewisse Enge - ich nenne es hier die "Enge des Alleinseins“. Schaut man nun im lateinischen nach, so findet man für Enge das Wort Angustus bzw. Angustia und das heißt Angst. Eine Angst also, die wir zwar nicht ständig spüren, die aber immer latent vorhanden ist.
Somit ist die Aussage des „coolen“ Gastgebers - dual betrachtet - sogar richtig. Denn das „Ich“ hat tatsächlich keine Angst - das „Ich“ ist Angst.
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